Aktualisiert am 28-Sep-2006  
   
 
 
   
 
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Auszüge aus "Geithain Journal II"

Geithainer Originale und Begebenheiten

Otto Geier, ein Baier

Als der Geithainer Friseurmeister Otto Geier aus Bayern nach Geithain kam, schrieb man Bayern noch mit "ai". Herr Geier war viele Jahrzehnte in Geithain nicht nur durch sein Geschäft "Damensalon Otto Geier" bekannt. Seine lustige und aufgeschlossene Art machte ihn bei vielen Geithainern beliebt. Den niederbayerischen Dialekt konnte und wollte er sicher nie verleugnen. Das hatte zumal in DDR- Zeiten zusätzlich einen besonderen Charme, da man Leute mit diesem Dialekt höchstens auf "Kanal 4" über die "Ochsenkopfantenne" sehen und hören konnte. Wir denken an die Jahre, da "ein Westauto" und "Westbesuch" noch Aufsehen erregten.

Herr Geier stammte aus Dingolfing in Niederbayern. Nach der Lehre ging er 10 Jahre "auf die Walz", wie es für Handwerksburschen damals üblich war. Die Meisterprüfung legte er 1938 in Gera ab. Seine Frau Charlotte stammte aus Altenburg. In der Umgebung suchte das junge Paar nach einem preiswerten Geschäft. Es sollte nicht mehr als 3000 RM - das war sein elterliches Erbe - kosten. In Geithain bot sich eine solche Gelegenheit und noch im Jahre 1938 konnte der "Friseursalon Geier" eröffnet werden. Die anderen Friseurgeschäfte in Geithain waren damals Fiala und Weber in der Chemnitzer Straße und Bola in der Katharinenstraße. Wilhelm Fiala war Tscheche, lebte aber schon seit den 20er Jahren in Geithain. Das Geschäft von Paul Bola wird bereits im Geithainer Adressbuch von 1927 genannt. Später, in den 50er/60er Jahren, war der Friseurladen eher durch Arthur Saupe, genannt "Arthur der Engel", den Geithainer Männern bekannt.

Geier-Otto, wie man früher zu sagen pflegte, war ein angesehener Geithainer Geschäftsmann und man kannte ihn als immer freundlichen und fröhlichen Menschen. Er führte sein Privatgeschäft durch die DDR- Jahre bis 1976, ohne einer PGH beizutreten. Auch die Kinder mochten ihn und ihm machte es Spaß, mit den eigenen und Nachbarkindern gelegentlich herumzutollen. So geschah es einmal im Winter auf Geithains berühmter Rodelbahn, dem "Rollmops" gegenüber dem Kreisratsgebäude. Geier-Otto ist mit seiner Enkelin natürlich mittenmang. Es herrschte an diesem herrlichen Wintertag ein Riesenbetrieb. Kinder mit ihren Eltern und Halbwüchsige sausten auf ihren Schlitten hinunter. Viele Passanten schauten dem Treiben zu. Geithainer Winterfreuden! Die Rodelbahn war sehr beliebt und oft trafen sich am späten Abend dort noch Erwachsene zum Schlittenfahren. Herr Geier - wie gesagt, fröhlich, kinderlieb, zu Späßen aufgelegt - sieht nicht nur zu, setzt sich mit seiner Enkelin auf den Schlitten und ab geht`s! Ein "Mordsgaudi", wie die Bayern sagen. Dann passierte es: Bei einer der Schussfahrten verlor Otto Geier seinen Hut. Na, und? Es war nicht nur der Hut, auch das Toupet flog davon! Heute sind Perücken bzw. Haarteile, auch bei Männern, nichts Aufregendes. Damals jedoch wurde, zumal in einer Kleinstadt, eher ein Geheimnis daraus gemacht. Nun wurde hier dieses Geheimnis im wahrsten Sinn des Wortes "gelüftet"! Herr Geier nahm es leicht, wie es seine Art war und wie es auch die folgenden Begebenheiten widerspiegeln.

Wie fast überall in Geithain, damals in den 50er Jahren, gab es auch bei Geiers draußen auf dem Hof noch das bekannte "Plumps- Klo". Benutzer wunderten sich eines Tages über die gemalten Schriftzeichen "S E D ?" unter dem unvermeidlichen herzförmigen Ausschnitt in der Toilettentür. Otto Geier auf den fragenden Blick: "Ist doch klar,
S
itzt Einer Drin ?"

Dann gab es in den 70er Jahren die Kampagnen gegen das West- Fernsehen und auch vor Geiers Haus sang eine kleine Gruppe von Jungen Pionieren z.B.: "Lieber Bürger, sei kein Tropf, entferne Deinen Ochsenkopf!" Otto Geier öffnete das Fenster und warf den Kindern Kleingeld zu, so, wie die Kuchensänger zum Fasching für ihren Gesang belohnt werden. Das war die echte Geiersche Art der Reaktion auf ideologische Agitation.

So gibt es noch manche Geschichte über den Schalk Otto Geier. Man wunderte sich beim Gang durch die Stadt gelegentlich über Gebell, obwohl doch kein Hund weit und breit zu sehen war. Otto Geier konnte täuschend ähnlich solche Laute imitieren und freute sich diebisch, wenn die Leute sich suchend umsahen und nicht gleich, manchmal nie, den Spaß durchschauten.

Bild: Otto Geier mit Tochter Helga und Sohn Klaus, um 1951

 

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