Aktualisiert am 28-Sep-2006  
   
 
 
   
 
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Auszüge aus "Geithain Journal II"

Geithainer Originale und Begebenheiten

Der Mitternachtsdoktor

Schon sein Vater war Anfang des vorigen Jahrhunderts viele Jahre ein bekannter und geschätzter Arzt in Geithain. Die Rede ist von Dr. med. Christian Kyber, der mit seiner Familie in der Bahnhofstraße wohnte und hier auch von 1948 bis 1978 seine Praxis ("Praktischer Arzt und Geburtshelfer") betrieb. Über Jahrzehnte gab es in Geithain drei Ärzte. Neben Dr. Kyber unterhielten Dr. Buschmann in der heutigen Robert- Koch- Straße und Dr. Klien in der Schillerstraße ihre Praxis. Wir beziehen uns auf die Jahre nach 1945 bis in die 60er. Mit dem Bau der Kreispoliklinik 1969 wurde die ärztliche Versorgung für Stadt und Umland wesentlich erweitert durch mehrere staatliche Allgemein- und Facharztpraxen.

Christian Kyber wurde als Sohn von Dr. Kurt Kyber 1913 in Geithain geboren. Er gehörte damit zu den Geithainer Schülerjahrgängen, die 1925 mit ihren Lehrern und Herrn Direktor Petermann an der Spitze vom alten Schulhaus in der Bahnhofstraße in die neu gebaute Paul - Guenther - Schule umzogen. Für d i e Geithainer Schülerinnen und Schüler, welche mit ihm die ersten vier Jahre "die Schulbank drückten", war der spätere sehr geachtete Geithainer Arzt stets "Kyber Christian" geblieben. Nicht nur seine Mitschüler, sondern viele andere heute ältere Geithainer erinnern sich gern an Dr. Kybers Art, seinen Beruf auszuüben. Es war natürlich eine ganz andere Zeit. Im Prinzip kannte damals in Geithain jeder jeden. Es mussten noch keine "Hausarztmodelle" bürokratisch kreiert werden! So galt Dr. Kyber über Jahrzehnte für viele Geithainer Familien ganz selbstverständlich als d e r Hausarzt und Arzt ihres Vertrauens. Viele Geithainer von heute können sich noch sehr gut an ihren ehemaligen Arzt und an den Menschen Christian Kyber erinnern. Er genoss Achtung und Anerkennung nicht nur wegen seines hohen medizinischen Wissens und Könnens, sondern auch wegen seiner menschlichen Art des Umgangs mit den Patienten. Da war nie eine unpersönliche Distanz etwa in der Form "Halbgott in Weiß"! Im Sprechzimmer saß dem Patienten ein Geithainer gegenüber. Sicher gab es damals noch nicht den Zeitdruck, unter dem heutige Ärzte ihre Patientengespräche oft führen (müssen).

Wenn nun so ein ehemaliger Mitschüler oder dessen Kind in der Praxis auftauchte, vielleicht am Nachmittag zur Kaffeezeit, ging man schon mal zu einer Tasse Kaffee und einem "Häppchen" hinüber in die Wohnung zu einem kurzen Plausch über dies und jenes. Auch an Dr. Kybers Hausbesuche erinnert man sich. Versorgung, Behandlung, Betreuung - alles zuverlässig, fachmännisch und menschlich hervorragend! Er kam immer und war im wahrsten Sinne des Wortes Tag und Nacht für seine Patienten da. Ja, er kam immer, aber manchmal erst zu recht vorgerückter Stunde! Wenn es die Situation zuließ, wurde auf den Wegen zu den Patienten auch manch andere Angelegenheit mitgeregelt. So erinnert sich Herr Juhlemann aus Geithain, dass eines Abends gegen halb elf bei ihm an der Haustür jemand klingelte. Es war Dr. Kyber mit zwei/drei Pilzen in einem Tuch. Ob er sie selbst gefunden hatte oder jemand hatte sie ihm mitgegeben, ist nicht mehr bekannt. Er kam vom Hausbesuch nebenan. "Sagen Sie, Herr Juhlemann, sind das giftige Pilze?" Werner Juhlemann war lange Zeit der Pilzberater für Geithain und Umgebung. Man kannte sich eben! Der Volksmund überhöht nicht selten. Aus der späten Stunde bei manchem Hausbesuch wurde so "Der Mitternachtsdoktor".

Bild: Dr. Christian Kyber und seine Sprechstundenhilfe, um 1970

 

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