Auszüge aus "Geithain Journal
II"
Geithainer Originale und Begebenheiten
Der Mitternachtsdoktor
Schon sein Vater war Anfang des vorigen Jahrhunderts
viele Jahre ein bekannter und geschätzter Arzt in Geithain. Die
Rede ist von Dr. med. Christian Kyber, der mit seiner Familie in
der Bahnhofstraße wohnte und hier auch von 1948 bis 1978 seine Praxis
("Praktischer Arzt und Geburtshelfer") betrieb. Über Jahrzehnte
gab es in Geithain drei Ärzte. Neben Dr. Kyber unterhielten Dr.
Buschmann in der heutigen Robert- Koch- Straße und Dr. Klien in
der Schillerstraße ihre Praxis. Wir beziehen uns auf die Jahre nach
1945 bis in die 60er. Mit dem Bau der Kreispoliklinik 1969 wurde
die ärztliche Versorgung für Stadt und Umland wesentlich erweitert
durch mehrere staatliche Allgemein- und Facharztpraxen.
Christian Kyber wurde als Sohn von Dr. Kurt Kyber
1913 in Geithain geboren. Er gehörte damit zu den Geithainer Schülerjahrgängen,
die 1925 mit ihren Lehrern und Herrn Direktor Petermann an der Spitze
vom alten Schulhaus in der Bahnhofstraße in die neu gebaute Paul
- Guenther - Schule umzogen. Für d i e Geithainer Schülerinnen und
Schüler,
welche mit ihm die ersten vier Jahre "die Schulbank drückten", war
der spätere sehr geachtete Geithainer Arzt stets "Kyber Christian"
geblieben. Nicht nur seine Mitschüler, sondern viele andere heute
ältere Geithainer erinnern sich gern an Dr. Kybers Art, seinen Beruf
auszuüben. Es war natürlich eine ganz andere Zeit. Im Prinzip kannte
damals in Geithain jeder jeden. Es mussten noch keine "Hausarztmodelle"
bürokratisch kreiert werden! So galt Dr. Kyber über Jahrzehnte für
viele Geithainer Familien ganz selbstverständlich als d e r Hausarzt
und Arzt ihres Vertrauens. Viele Geithainer von heute können sich
noch sehr gut an ihren ehemaligen Arzt und an den Menschen Christian
Kyber erinnern. Er genoss Achtung und Anerkennung nicht nur wegen
seines hohen medizinischen Wissens und Könnens, sondern auch wegen
seiner menschlichen Art des Umgangs mit den Patienten. Da war nie
eine unpersönliche Distanz etwa in der Form "Halbgott in Weiß"!
Im Sprechzimmer saß dem Patienten ein Geithainer gegenüber. Sicher
gab es damals noch nicht den Zeitdruck, unter dem heutige Ärzte
ihre Patientengespräche oft führen (müssen).
Wenn nun so ein ehemaliger Mitschüler oder dessen
Kind in der Praxis auftauchte, vielleicht am Nachmittag zur Kaffeezeit,
ging man schon mal zu einer Tasse Kaffee und einem "Häppchen" hinüber
in die Wohnung zu einem kurzen Plausch über dies und jenes. Auch
an Dr. Kybers Hausbesuche erinnert man sich. Versorgung, Behandlung,
Betreuung - alles zuverlässig, fachmännisch und menschlich hervorragend!
Er kam immer und war im wahrsten Sinne des Wortes Tag und Nacht
für seine Patienten da. Ja, er kam immer, aber manchmal erst zu
recht vorgerückter Stunde! Wenn es die Situation zuließ, wurde auf
den Wegen zu den Patienten auch manch andere Angelegenheit mitgeregelt.
So erinnert sich Herr Juhlemann aus Geithain, dass eines Abends
gegen halb elf bei ihm an der Haustür jemand klingelte. Es war Dr.
Kyber mit zwei/drei Pilzen in einem Tuch. Ob er sie selbst gefunden
hatte oder jemand hatte sie ihm mitgegeben, ist nicht mehr bekannt.
Er kam vom Hausbesuch nebenan. "Sagen Sie, Herr Juhlemann, sind
das giftige Pilze?" Werner Juhlemann war lange Zeit der Pilzberater
für Geithain und Umgebung. Man kannte sich eben! Der Volksmund überhöht
nicht selten. Aus der späten Stunde bei manchem Hausbesuch wurde
so "Der Mitternachtsdoktor".
Bild: Dr. Christian Kyber und seine Sprechstundenhilfe,
um 1970
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