Geithainer Badefreuden einst und jetzt!
von Dr. Gottfried Senf
Kaiser-
Wilhelm- Bad in Geithain?
Hochsaison natürlich
auch im Geithainer Freibad! Wer an diesen Sommertagen nicht verreist
ist, nutzt das schön gelegene Bad für eine willkommene Abkühlung.
Der eine oder andere Altgeithainer erinnert sich vielleicht an
die Zeit, als das heutige Geithainer Freibad entstand. Vor 40
Jahren, im Frühjahr 1967, wurde mit dem Bau begonnen und zwei
Jahre später konnte das Bad zur Eröffnung der Badesaison seiner
Bestimmung übergeben werden. Gehen wir aber zunächst noch weiter
zurück in der Geithainer Badgeschichte. Im Oktober 1910 beschloss
der Stadtrat, eine Badeanstalt am Oberfürstenteich zu errichten
und sie in eigener Regie zu betreiben. Da das Wasser des Teiches
durch die Große Eula ständig erneuert wurde, hielt man den Öffentlichkeitsbetrieb
für gesundheitlich unbedenklich. Am 28. Juni 1913 fand die feierliche
Übergabe statt. Es gab, dem Zeitgeist entsprechend, zwei getrennte
Becken. Selbst die Besuchszeiten waren nach Geschlechtern getrennt.
Die Eintrittspreise (Erwachsene 10Pfg., Kinder 5 Pfg.) waren moderat.
Auch noch so große Besucherzahlen hätten nie zu einer Kostendeckung
(Baukosten 6 518 Goldmark) führen können. Die Stadt konnte es
sich offenbar leisten. Deutschland befand sich seit über 40 Jahren
in einer langen Friedensperiode. Was die Geithainer Ratsherren
unter dem Bürgermeister Richard Höfer (Amtszeit 1904 bis 1916)
im Detail bewog, ein Freibad zu bauen, wäre sicher in einschlägigen
Akten im Stadtarchiv auffindbar. Die Geithainer Stadtobrigkeit
folgte jedenfalls einem aktuellen Trend. Die Lehre des damals
sehr populären Naturheilarztes Dr. Lahmann, der auf dem Weißen
Hirsch in Dresden ein Sanatorium betrieb, fand auch in unserer
Gegend Anhänger. Gleich zwei Einrichtungen entstanden, welche
die reformerischen Gedanken von Lahmann umsetzten. Bei Frauendorf
wurde Anfang des vorigen Jahrhunderts „Villa Erdenglück“ gebaut.
Über viele Jahre erholten sich hier Leipziger durch „naturnahen
Aufenthalt im Wasser, an Luft und Sonne“. Die Landfrauenschule
Arvedshof in Elbisbach begann 1906 mit ihrer Arbeit. Ausbildung
und Freizeit dort folgten ebenfalls den Lehren des Dresdener Arztes.
Die neue Einrichtung in Geithain erhielt den Namen "Kaiser- Wilhelm-
Bad". Mag uns heute diese Namensgebung auch etwas vermessen erscheinen,
denn im Volksmund hieß der Oberfürstenteich ja auch Katzenteich!
Die Geithainer lagen aber hier wohl auch im Trend der Zeit.
![](kaiser_wilhelm_bad.jpg)
Bild 1: Das alte Geithainer Freibad am Oberfürstenteich, um 1940
Das Wikingbad
entsteht
Zum Gelände des
Sommerhofes gehörten zahlreiche ehemalige Kalkgruben, zumeist
mit Wasser gefüllt und umwachsen mit Bäumen und Sträuchern. Einen
dieser Teiche verpachtete Kurt Sommer um 1929 an den Geithainer
Sportverein. Die meist arbeitslosen Mitglieder des Vereins- es
war die Zeit der Weltwirtschaftskrise - verwandelten das Gewässer
in eine gelungene Badeanstalt. Es gab einen mit Weiden befestigten
Bummelweg um den Teich herum. Liegewiesen mit Bänken, Umkleidekabinen
und eine Tischtennisanlage entstanden in kürzester Zeit. Sogar
ein kleiner Parkplatz wurde angelegt, obwohl es zu dieser Zeit
in Geithain kaum Autos gab. Ulrich Sommer erinnert sich an die
Eröffnung des "Wikingbades", wie es genannt wurde: "Da erschienen
die schönsten und elegantesten Damen
Geithains
in, für damalige Verhältnisse, gewagten Badeanzügen und Hüten.
Auch die Männer zeigten, was sie hatten. Besonders an einen athletischen
Jüngling erinnere ich mich: winzige, tiefrote Dreiecksbadehose
und vorn drauf das Hakenkreuz auf weißem Grund. Es war einige
Jahre vor der sogenannten Machtergreifung der Nazis und in Geithain
noch etwas Ungewöhnliches!" Ulrich Sommer nennt den "Geithainer
Sportverein", es dürfte aber der "Geithainer Schwimmverein Wiking"
gewesen sein, der für dieses Bad verantwortlich zeichnete. Dieser
Verein wurde 1923 gegründet und von Curt Clauß über viele Jahre
als Vorsitzender geleitet. Fühlte man sich da draußen freier als
im Städtischen Freibad oder wollte man ein vereinseigenes Bad?
Das Wikingbad, der Badeteich in Ottenhain und der Oberfürstenteich
in Geithain waren bis in die 50er Jahre beliebte Badestellen für
die Jugendlichen aus Geithain und Umgebung. Von den Anlagen im
ehemaligen Wikingbad ist heute nichts mehr zu sehen. Die erst
kürzlich entstandene Straße mit den Energiesparhäusern trägt zur
Erinnerung den Namen "Am Wiking". Vom alten Geithainer Freibad
sah man bis in die 70er Jahre noch Reste. Die Schüler der Oberschule
Geithain führten im Frühjahr 1951 noch einen Arbeitseinsatz im
Bad durch, eine wirkliche Nutzung des 1913 entstandenen Bades
gab es jedoch nur noch bis Mitte der 50er Jahre. Die Schließung
erfolgte in erster Linie aus hygienischen Gründen. Der Wunsch
vieler Geithainer nach einem neuen Freibad stieg von Sommer zu
Sommer! Ende der 60er Jahre war es dann endlich soweit!
Bild 2: Junge Geithainer im August
1930, ob am Wikingbad oder am Oberfürstenteich ist nicht mehr
feststellbar
Vor
40 Jahren - ein neues Geithainer Freibad entsteht
Der Wunsch vieler Geithainer nach einer zeitgemäßen, öffentlichen
Badegelegenheit wurde immer intensiver. Das alte Bad von 1913
im Oberfürstenteich hatte nun wirklich ausgedient, eine Modernisierung
dieser Einrichtung kam nie in Frage. Ein neues Bad, nicht wieder
im, sondern am Oberfürstenteich errichtet, stand seit Anfang der
60er Jahre immer mal wieder zur Debatte. Geithain war seit 1952
Kreisstadt. Der häufige Wechsel im Bürgermeisteramt seit 1945
bis in die 50er Jahre hinein war inzwischen auch Vergangenheit.
Seit 1959 leitete Silvester Poschmann als Bürgermeister die Geschicke
der Stadt. Die Eröffnung des neuen Freibades, fast genau 10 Jahre
nach seinem Amtsantritt, war nicht nur für ihn persönlich, sondern
für alle Geithainer ein ganz besonderes Erlebnis. Herr Poschmann
steht mit 25 Amtsjahren an zweiter Stelle in der Liste der langjährigen
Bürgermeister der Stadt, hinter Friedrich Bauer mit 37 Jahren
(1862 -1899). Als er aus Krankheitsgründen 1984 sein Amt abgeben
musste, war der Badbau 1967- 69 auch vor dem Hintergrund von 25
Dienstjahren ein herausragendes Ereignis! Im Frühjahr 1967 begannen
die Arbeiten mit dem Ausheben der Gruben für die künftigen Becken.
Es gab viele skeptische Stimmen, da eine für die damalige Zeit
neue Baumethode für Freibäder Anwendung fand. Die Beckenwände
waren abgeschrägt, denn alles wurde mit Folien belegt. Die Baukosten
waren mit 2 Millionen Mark veranschlagt. Zur Verfügung standen
500 000 Mark aus einem entsprechenden Fonds beim Rat des Bezirkes
Leipzig. 500 000 Mark betrug der Eigenbeitrag der Stadt Geithain.
Die "Finanzierungslücke" von 1 Million Mark wurde geschlossen!
Auf welche Weise, ist heute für jüngere Geithainer oder aus Westdeutschland
Zugezogene schwer verständlich. Der Bau des Bades erfolgte außerhalb
der staatlichen Baukapazität. Es war ein Projekt im Rahmen des
"Mach mit - Wettbewerbes"! Heutige Geithainer, die 1967 bis 1969
die oberen Klassen der
![](medaillengewinner.jpg)
Bild 3: Stolze Medaillengewinnerinnen bei der Kreis- Schwimmspartakiade
1971
Geithainer Schule
besuchten, erinnern sich an die vielen Arbeitseinsätze unten an
der Baustelle: Schachten, Planieren, Streichen, Räumen u. a. Unterstützung
gaben die Betriebe der Stadt mit ihrer Technik. So half vor 40
Jahren als erster das Baustoffkombinat mit seiner Raupe beim Bewegen
der Erdmassen. Das Wort "Feierabendbrigaden" mag wohl auch in
diesen Jahren entstanden sein. Es bildeten sich Gruppen von Facharbeitern,
die nach Feierabend und an Wochenenden die jeweils notwendigen
Arbeiten auf der Baustelle ausführten und meist auch an Ort und
Stelle ihren Lohn "auf die Hand" ausgezahlt bekamen. All das musste
durch die Stadt organisiert und koordiniert werden. Der Bürgermeister
war in solchen Zeiten dann eher "Baumeister" bzw. "Bauleiter".
Kommunales Bauen in DDR- Zeiten hatte nun einmal seine Besonderheiten.
Auftragsvergabe an das günstigste in der Palette der anbietenden
Baufirmen, Auswahl aus einem riesigen Angebot an Materialien und
Gestaltungsmöglichkeiten - heute alles selbstverständlich, damals
ein unerfüllbarer Traum. Die Freude am fertig gestellten Bad im
Mai 1969 war riesengroß, hatte man ja auch oft selbst mit dazu
beigetragen! Schwimmwettkämpfe, wie etwa die Kreisspartakiaden
im Schwimmen, konnten nun in der Kreisstadt Geithain stattfinden.
Die Stadtverwaltung hatte 1969 mit der Anstellung eines jungen
Bademeisters offenbar eine glückliche Entscheidung getroffen.
Rainer Veit, gebürtiger Geithainer, war bis zu seinem Renteneintritt
ein beliebter und allseits geachteter Bademeister im Geithainer
Freibad.
(Quellenangabe
bei Redaktion)