Martha Tetzel
ein Tautenhainer Original
von Gottfried Senf
Winterliche Dorfstraße in Tautenhain, v. Conrad Felixmüller, um
1950
"Tetzel Martha" war über Jahrzehnte ein Tautenhainer
Original. So wird sie gar nicht zufällig im Vordergrund des obigen
Bildes erschienen sein. Es ist durchaus anzunehmen, daß Felixmüller
bei der Konzipierung seines Tautenhainer Winter-bildes Martha Tetzel
bewußt einbezogen hat. Der Maler hat in seinen knapp 20 Tautenhainer
Jahren die Menschen des Dorfes sehr genau gekannt. Das zeigt sich
auch in vielen anderen Bildern aus dieser Zeit. [--> Seite 70] Martha
Tetzel gehörte mit Hund, Rucksack und Handkorb (wie auf dem Bild
dargestellt) zum Tautenhainer Straßenbild der 40/50er Jahre des
vorigen Jahrhunderts.
Das ist aber nicht der Hauptgrund, weswegen sich
viele ältere Tautenhainer an sie erinnern. Man konnte sie damals
ganz regelmäßig am Sonnabendabend in der Gaststätte von Heinz Schwarze
im Unterdorf sehen. Es war eine ungewöhnliche Doppelkopfrunde, die
da hinten in der Ecke der Gaststube am Stammtisch saß:
Drei ältere Herren und eine Frau! Tetzel Martha
spielte nicht nur ganz zünftig mit, sondern war sogar Hauptperson,
denn sie führte die Kasse! Das Gerücht wollte nie verstummen, dass
sie diese gelegentlich zum Nachteil ihrer drei Männer führte! Adolf
Kratz aus Tautenhain erinnert sich noch gut an die deftigen Worte
von Paul Schwarze, wenn er sich mal wieder von Martha besch....
fühlte.
Schwarze Paul - Fleischer, Viehhändler und Gastwirt
- war kein Mann der leisen Töne und gewähl-ten Worte. Mit seinem
gezwirbelten Bart erschien er uns Jüngeren Anfang der 50er Jahre
wie ein Relikt aus Kaisers Zeiten. Ich erinnere mich, dass ich beim
Betreten der Gaststube von Paul Schwarze oft mit dem lauten Ruf
"Senff von Pilsach" be-grüßt wurde. Ich wußte nie, was der damit
wohl meinte. Jahrzehnte später las ich die Bismarck- Biographie
von Engelberg. Da tauchte der Name auf. Dieser Senff von Pilsach
war um 1895 ein bedeutender Staatssekretär in der Reichsregierung.
Paul Schwarze war in dieser Zeit ein ganz junger Mann.
Die Bedeutung Conrad Felixmüllers für Tautenhain
geht über die Emporebilder in der Jacobuskirche des Ortes weit hinaus.
Die Bilder zum Dorfalltag spiegeln den Zeitgeist sehr gut wider.
Es wundert deshalb nicht, wenn Menschen unserer Region die Tautenhainer
Zeit als bedeutsam in seinem bildnerischen Schaffen bezeichnen.
Dass Kunstkritiker und Kunsthistoriker hier anderer
Meinung sind, überraschtnicht. Als Beispiel diene die Meinung eines
Kunstexperten, der sich in der Nr.27/ 97 des "Spiegel" anl. des
100. Geburtstages Felixmüllers und einer Ausstellung in Dresden
zu dessen Lebenswerk äußerte.
Auszug aus dem Tautenhainer Dorfbuch Gottfried
Senf. Buchvorstellung hier.
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