Aktualisiert am 27-Jul-2004  
   
   
   
   
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EULATAL > TAUTENHAIN > KULTUR & KUNST

 

Die Jeeps waren für uns das Größte
Tautenhainer Dorfgeschichten
Von Gottfried Senf

Am Erscheinungsbild der amerikanischen Soldaten war vieles völlig neu und aufregend. Sie traten gar nicht so zackig und preußisch auf, wie man es in Deutschland seit Kaisers Zeiten für alles Militärische ganz selbstverständlich gewohnt war. Lässigkeit und Weltläufigkeit kamen schon im Uniformschnitt, noch mehr aber in der Militärmusik zum Ausdruck. Glen Miller leitete eine Army-Band. Seine Musik glich nicht im entferntesten dem "Bums Trara" deutscher Militärkapellen. Die Wirkung all dessen auf die damals jungen Deutschen war enorm und zeigt sich bis in die Gegenwart: Wer von den heutigen Alten (um die 70 Jahre) kommt nicht ins Schwärmen, wenn im Radio oder Fernsehen die Melodien von Glen Miller oder Benny Goodman erklingen?

Ein anderes Faszinosum, gerade für uns 10 bis 12 jährige Jungen, waren die Fahrzeuge der Amis. Autos und Motorräder stellten ja um 1945, zumal für Dorf kinder, immer noch etwas Nichtalltägliches dar! Und nun tauchten im Dorf diese Jeeps auf: klein, wendig, schnell, ohne Verdeck! Darin die lässigen, eher jungenhaft wirkenden GI`s. Sie kurvten im Dorf herum, hinein in die Bauernhöfe und oft auf der Suche nach frischen Eiern, die sie dann in ihren Stahlhelmen sammelten.

Das Tautenhainer Pfarramt hielten sie eines Tages wohl zunächst auch für einen Bauernhof. Wir waren jedenfalls gerade im hinteren Pfarrgarten, als so ein Jeep vor dem Gartentor auftauchte, kurz wendete und dann, rückwärts stoßend, langsam das als Tor dienende Zaunfeld eindrückte. Den drei jungen Amerikanern bereitet es offenbar einen Heidenspaß. Ob sie nun ganz einfach zu faul waren, abzusteigen, den Riegel zurückzuschieben und das Tor richtig zu öffnen, wer weiß das?

"Eine Karre bauen" - das war schon seit langem eine beliebte Beschäftigung von uns Jungen: Zwei, drei alte Brettstücke wurden mit Querlatten zusammengenagelt. Zwei Achsen mit den Rädern eines alten Kinderwagens machten das Brett schon fast zu einem Auto. Natürlich mußte die vordere Achse lenkbar sein. Wir verbanden sie über zwei Drähte mit einem richtigen Lenkrad, was natürlich auch mal als Rad eines Kinderwagens gedient hatte und irgendwann in der "Ausfülle" gelandet war. Wer dann an seine Karre auch noch Bremsen inklusive eines richtigen Bremshebels anbrachte, errang besonderes Ansehen. Als wir nun die Amis mit ihren Jeeps tagelang beobachtet hatten, mußten unsere Fahrzeuge natürlich komplettiert werden. Irgendwie wurden zwei Seitenbretter so zurechtgesägt und befestigt, dass sie (sicher sehr entfernt!) der Seitenansicht eines Jeeps ähnelten. Wir fühlten uns dann jedenfalls wie die Amifahrer, wenn wir beim Halten, die Hand noch am Lenkrad, lässig ein Bein über das Seitenbrett legen konnten. Dann fehlte eigentlich nur noch die Zigarette im Mundwinkel, aber dazu waren wir dann doch noch zu jung.

Jeder der heutigen Rentnergeneration hat eben so seine besonderen Erinnerungen an die ersten Erfahrungen mit den amerikanischen Besatzungssoldaten. Da wurde die kleine Schwester vom älteren Bruder angestachelt, bei den Amis Schokolade oder Corned Beef zu erbetteln. Ein anderer erinnert sich an die oft besonders fröhlich wirkenden Afroamerikaner. Damals nannte man sie aber noch nicht so. Es war für viele Deutsche überhaupt das erste Mal in ihrem Leben, einen "Neger" leibhaftig zu sehen.

Wenn ich heute irgendwo einmal so einen Originaljeep sehe, muß ich an die April/Mai- Wochen 1945 in Tautenhain denken. Frank Stiller aus Ossa - mehrere Jahre nach Kriegsende geboren - wurde über sein Hobby zu einem Jeep-Spezialisten. Er sagte mir die genaue Bezeichnung dieses amerikanischen Fahrzeugtyps: WILLYS - OVERLAND, Modell MB, Motors Inc., Toledo/Ohio/USA

Auszug aus dem Tautenhainer Dorfbuch Gottfried Senf. Buchvorstellung hier.

 

 

 
 
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