Die Jeeps waren
für uns das Größte
Tautenhainer Dorfgeschichten
Von Gottfried Senf
Am Erscheinungsbild der amerikanischen Soldaten
war vieles völlig neu und aufregend. Sie traten gar nicht so zackig
und preußisch auf, wie man es in Deutschland seit Kaisers Zeiten
für alles Militärische ganz selbstverständlich gewohnt war. Lässigkeit
und Weltläufigkeit kamen schon im Uniformschnitt, noch mehr aber
in der Militärmusik zum Ausdruck. Glen Miller leitete eine Army-Band.
Seine Musik glich nicht im entferntesten dem "Bums Trara" deutscher
Militärkapellen. Die Wirkung all dessen auf die damals jungen Deutschen
war enorm und zeigt sich bis in die Gegenwart: Wer von den heutigen
Alten (um die 70 Jahre) kommt nicht ins Schwärmen, wenn im Radio
oder Fernsehen die Melodien von Glen Miller oder Benny Goodman erklingen?
Ein anderes Faszinosum, gerade für uns 10 bis
12 jährige Jungen, waren die Fahrzeuge der Amis. Autos und Motorräder
stellten ja um 1945, zumal für Dorf kinder, immer noch etwas Nichtalltägliches
dar! Und nun tauchten im Dorf diese Jeeps auf: klein, wendig, schnell,
ohne Verdeck! Darin die lässigen, eher jungenhaft wirkenden GI`s.
Sie kurvten im Dorf herum, hinein in die Bauernhöfe und oft auf
der Suche nach frischen Eiern, die sie dann in ihren Stahlhelmen
sammelten.
Das Tautenhainer Pfarramt hielten sie eines Tages
wohl zunächst auch für einen Bauernhof. Wir waren jedenfalls gerade
im hinteren Pfarrgarten, als so ein Jeep vor dem Gartentor auftauchte,
kurz wendete und dann, rückwärts stoßend, langsam das als Tor dienende
Zaunfeld eindrückte. Den drei jungen Amerikanern bereitet es offenbar
einen Heidenspaß. Ob sie nun ganz einfach zu faul waren, abzusteigen,
den Riegel zurückzuschieben und das Tor richtig zu öffnen, wer weiß
das?
"Eine Karre bauen" - das war schon seit langem
eine beliebte Beschäftigung von uns Jungen: Zwei, drei alte Brettstücke
wurden mit Querlatten zusammengenagelt. Zwei Achsen mit den Rädern
eines alten Kinderwagens machten das Brett schon fast zu einem Auto.
Natürlich mußte die vordere Achse lenkbar sein. Wir verbanden sie
über zwei Drähte mit einem richtigen Lenkrad, was natürlich auch
mal als Rad eines Kinderwagens gedient hatte und irgendwann in der
"Ausfülle" gelandet war. Wer dann an seine Karre auch noch Bremsen
inklusive eines richtigen Bremshebels anbrachte, errang besonderes
Ansehen. Als wir nun die Amis mit ihren Jeeps tagelang beobachtet
hatten, mußten unsere Fahrzeuge natürlich komplettiert werden. Irgendwie
wurden zwei Seitenbretter so zurechtgesägt und befestigt, dass sie
(sicher sehr entfernt!) der Seitenansicht eines Jeeps ähnelten.
Wir fühlten uns dann jedenfalls wie die Amifahrer, wenn wir beim
Halten, die Hand noch am Lenkrad, lässig ein Bein über das Seitenbrett
legen konnten. Dann fehlte eigentlich nur noch die Zigarette im
Mundwinkel, aber dazu waren wir dann doch noch zu jung.
Jeder der heutigen Rentnergeneration hat eben
so seine besonderen Erinnerungen an die ersten Erfahrungen mit den
amerikanischen Besatzungssoldaten. Da wurde die kleine Schwester
vom älteren Bruder angestachelt, bei den Amis Schokolade oder Corned
Beef zu erbetteln. Ein anderer erinnert sich an die oft besonders
fröhlich wirkenden Afroamerikaner. Damals nannte man sie aber noch
nicht so. Es war für viele Deutsche überhaupt das erste Mal in ihrem
Leben, einen "Neger" leibhaftig zu sehen.
Wenn ich heute irgendwo einmal so einen Originaljeep
sehe, muß ich an die April/Mai- Wochen 1945 in Tautenhain denken.
Frank Stiller aus Ossa - mehrere Jahre nach Kriegsende geboren -
wurde über sein Hobby zu einem Jeep-Spezialisten. Er sagte mir die
genaue Bezeichnung dieses amerikanischen Fahrzeugtyps: WILLYS -
OVERLAND, Modell MB, Motors Inc., Toledo/Ohio/USA
Auszug aus dem Tautenhainer Dorfbuch Gottfried
Senf. Buchvorstellung hier.
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