Herr Fuchs und
Frau Elster
Tautenhainer Dorfgeschichten
Von Gottfried Senf
Es gibt unzählige Geschichten zu Erna Denke,
die in den 50er und 60er Jahren in Tautenhain lebte. Ihr Mann, der
"alte Poltersack" Robert, war schon kurz nach 1945 verstorben und
"Denken-Erna" wohnte in Blumes Auszugshaus am Kirchberg als rüstige
Rentnerin allein. Kinder und Enkelkinder hatten sich weit entfernt
in Leipzig und im Ruhrgebiet angesiedelt.
Als alte Tautenhainerin pflegte sie, wie üblich
damals in den Dörfern, rege und vielfältige Beziehungen zu den Dorfbewohnern.
Erna lebte allein, fühlte sich aber keineswegs einsam. Das abendliche
Federschleißen war ohne Denken - Erna in Tautenhain schier unmöglich,
denn sie hatte zu jeder Zeit saftige Witze parat. Zum Biegen vor
Lachen waren auch ihre Erzählungen zu eigenen kleinen Missgeschicken.
Erna war immer etwas verfitzt und vergeßlich.
So passierte ihr einmal folgendes: WC gab es natürlich damals noch
nicht. Man benutzte den Nachttopf, der dann am nächsten Morgen im
Abort draußen "entsorgt" wurde. Erna hatte die Betten gemacht, den
Nachttopf natürlich mit hinunter genommen. Aber irgendwie kam auf
dem Weg zwischen Schlafstube, Küche und Abort etwas dazwischen.
Der Nachttopf wurde jedenfalls in der Küche erst einmal abgesetzt.
Das Dumme war nur, Erna stellte etwas später statt des Kartoffeltopfs
den Nachttopf in die Ofenröhre. Der Irrtum klärte sich bald auf,
denn es roch keinesfalls nach gekochten Kartoffeln!
Abendliche Nachbarbesuche waren etwas Selbstverständliches.
In den Anfangszeiten des Fernsehens traf man sich bei denen, die
schon so einen Apparat hatten. Denken-Erna kam fast jeden Abend
die paar Schritte den Kirchberg hinauf zu uns. Herr Fuchs und Frau
Elster aus dem Kinderfernsehen, dieses sich ewig streitende, aber
doch zusammengehörige Paar war damals schon legendär. Bald verglichen
wir unseren Vater und Erna mit den beiden Fernsehoriginalen. Walter
schimpfte mitunter schon, wenn er Erna den Kirchberg herauf kommen
sah. "Die will wieder quatschen! ", hieß es dann. Kam sie aber mal
später oder gar nicht, stand er dauernd am Fenster und schaute den
Berg hinunter: "Wo bleibt denn die Denken heute? Irgendwie brauchten
sie einander doch, eben wie Herr Fuchs und Frau Elster!
Auszug aus dem Tautenhainer Dorfbuch von Gottfried
Senf. Buchvorstellung hier.
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